Impressionismus: (von frz. impression »Eindruck«): Kunstrichtung, die sich die Wiedergabe des unmittelbaren Eindrucks, insbesondere der Landschaft unter starker Beleuchtung, auf den unbeeinflußten Betrachter zum Ziel gesetzt hat.
     Der Begriff ~ wurde, zunächst in herabsetzender Absicht, 1872 von einem zeitgenössischen Zeitungskritiker geprägt, um die Tendenzen einer Künstlergruppe zu bezeichnen, die, weil von den halbstaatlichen Instanzen an der jährlichen Ausstellung ihrer Arbeiten im offiziellen Pariser »Salon« gehindert, nach eigenen Ausstellungsmöglichkeiten suchte und diese ab 1874 mit wechselndem Erfolg auch achtmal herstellen konnte. Als die wichtigsten, weil am konsequentesten und reflektiertesten den Prinzipien ihrer Gruppe folgend, sind die Maler Claude Monet und Camille Pissarro anzusehen; ihnen folgten u.a. E. Manet, J. Renoir und A. Sisley, während die ebenfalls mit der Gruppe verbundenen bekannten Maler E. Degas u. P. Cézanne eher eigene Wege gingen, ohne ihren impressionistischen Ursprung zu verleugnen – so kann Cézannes Kunst beispielsweise als eine Art Brücke vom ~ zum Kubismus angesehen werden.
     Waren die Impressionisten nicht durch zufälligen Glücksfall rechtzeitiger Erbschaft materieller Sorgen enthoben, so lebten und starben sie unter niederdrückenden bis erbärmlichen Bedingungen, falls sie nicht ein sehr hohes Alter erreichten und dadurch die – hauptsächlich von den USA ausgehende – internationale Anerkennung erlebten. Sie müssen also von starken Motiven getrieben worden sein, ihre unbeliebte und wenig einträgliche Kunstrichtung weiterzuverfolgen bzw. unbeirrbar durchzuhalten.
     Wichtigstes Stilmerkmal des ~ ist die Auflösung der Kontur zugunsten einer Menge kleiner bis winziger Farbeindrücke (die von der Lokalfarbe stark abweichen können); die systematische Auflösung des Bildes in sehr kleine, gleichgroße Farbpunkte (Pointillismus, entwickelt im ~tenkreise von P. Seurat, "wissenschaftlicher ~" nach Pissarro) erscheint als seine organische Fortsetzung; diese Entwicklung korrespondiert auffällig mit den zeitgenösssischen Fortschritten der Optik und besonders der Drucktechnik. Ebenso sind die Vorläufer des ~ in der »Schule von Barbizon« (einem Dorf im Umfeld von Paris, wo die betreffenden Künstler gemeinsam Landschaftsmalerei betrieben hatten), vor allem ihres wichtigsten Vertreters Corot, daneben auch Courbets (des »Naturalisten«) und, unabhängig davon, Delacroix' klar zu erkennen; allen gemeinsam ist der Kampf gegen die »Linie«, d.h. der in mehr als gleichzeitig wahrnehmbaren Ebenen scharfen Kontur, wie sie nur durch mehrfache reflektierte (und daher der Wissenschaft ähnelnde) Betrachtung des abzubildenden Gegenstandes zu erreichen ist (und so als dessen Beherrschung, retroflex auch als von außen auferlegte Disziplin des Betrachters angesehen werden kann), während der unmittelbare, nicht nach Kategorisierung strebende Eindruck ein ganz anderes Bild vermittelt, eben jenes, das die Impressionisten wiederzugeben suchten. »Subjektiv« bedeutet bei ihnen daher stets »von gesellschaftlich vorgegebenen Kategorien unbelastet« (auch wenn diese das wahrgenommene Objekt nicht zu verzerren brauchen – sie könnten es ja!), niemals dagegen »von einem bestimmten Individuum mit einer bestimmten Geschichte gesehen«. Es gibt daher im ~ niemals etwa eine »Landschaft, gesehen von einem Traurigen/einem erfolgreichen Examenskandidaten/einem Vergewaltigungsopfer« usw.; die impressionistische »Schule des Sehens« erstrebt gerade die Unterdrückung der – bzw. die Befreiung von – gesellschaftlichen Vorgegebenheiten ebenso wie von mitgebrachten individuellen Beeinträchtigungen, die ja ihrerseits nur Niederschlag gesellschaftlich vermittelten, zwangsweisen Erlebens sein können. Dieser heimlich emanzipative Gehalt des ~ dürfte sowohl der Hauptgrund für die Unbeugsamkeit seiner Vertreter wie für seine öffentliche Anfeindung gewesen sein. Daneben wird seine Ablehnung der Normativität der auf der »Linie« gegründeten Renaissancekunst (vor allem der florentinischen) als explizit bürgerlicher Kunst mitgespielt haben; anders als die gewöhnlich reaktionäre Romantik ist der ~ niemals explizit anti-bürgerlich (die Wissenschaft wird z.B. ausdrücklich bejaht, allerdings nur, wenn sie das Subjekt einschließt), aber er bestreitet dafür sozusagen heimlich die Legitimität der Nachfolge seiner zeitgenössischen bürgerlichen Gesellschaft zur glanzvollen kommunalen Bewegung des Mittelalters, wie sie v.a. in Ober- und Mittelitalien so erfolgreich war und als deren Krönung, aber auch Abschluß die französische Revolution betrachtet werden kann.
     Obwohl sich mit dem schließlichen internationalen Erfolg des ~, welcher hauptsächlich als Verdienst des Kunsthändlers Durand-Ruel zu betrachten ist, zahlreiche ausländische Maler von seinen Techniken beeinflussen ließen (teilweise auch schon verblüffend ähnliche Techniken unabhängig von ihm entwickelt hatten wie etwa in Deutschland A. v. Menzel, den vom eigentlichen ~ fast nur die fehlende Betonung der Freiluftmalerei und ihrer spezifischen Lichteffekte trennt), blieb er in seiner entscheidenden Phase eine rein französische Erscheinung. Als ungefähre Parallele sind als Malerschule nur die italienischen macchiaioli (»Fleckler«) zu betrachten.
     Bedeutende Werke der Impressionisten finden sich in allen großen Kunstmuseen der Welt, besonders in Paris, Chicago und Moskau. –
     Aufgrund der Bedeutung des ~ hat es viele Versuche gegeben, den Terminus auch auf andere Künste und ihre zeitgenössischen Äußerungen zu beziehen; in der Bildhauerei wird, wegen seiner Flächenauflösung, immer wieder Rodin genannt. Am ehesten legitim ist dieser Versuch ansonsten für die Musik Debussys und Ravels, die, mit ihrer Vorliebe für Chromatik und übermäßige Tonschritte und ihre Verwischung der Tonarten, u.a. durch Meidung der Rückkehr zur Tonika (wofür auch balinesische Anregungen von der Pariser Weltausstellung 1878 produktiv wurden) einen analogen Effekt für den Hörer erzielt wie die Konturenauflösung der impressionistischen Maler für den Betrachter; auch sind subjektive Natur- und Augenblickseindrücke tatsächlich thematisch zentral für die »impressionistischen« Komponisten. Deren persönliche Verbindungen zu den Malern des ~ bleiben jedoch ebenso wie ihre programmatischen Äußerungen geringfügig und undeutlich. Die Konstruktion einer »impressionistischen Literatur« bleibt noch viel beliebiger und willkürlicher; sie sollte daher in der Literaturgeschichte unterbleiben.


Empfohlene Literatur: John Rewald, Die Geschichte des Impressionismus (dumont).


 
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