Elementarteilchen: (von lat. elementum, »unteilbarer Grundstoff«): nicht weiter zerlegbarer Bestandteil der Materie.
Alle Bestandteile der Materie sind aus ~, und zwar ausschließlich aus ~, zusammengesetzt (diese Erkenntnis heißt Materialismus), u.a. die lange Zeit selbst voreilig als unteilbar angesehenen Atome.
Da der Begriff »Atom« (was ebenfalls »unteilbar« = gr. ἄτομος heißt) bei Entdeckung der Teilbarkeit der Atome Anfang des 20. Jahrhunderts bereits klar definiert in Physik und Chemie verankert war, wurden dessen (damals) unteilbare Bestandteile, nämlich Elektronen, Protonen und Neutronen, aus praktischen Gründen unter der neuen Bezeichnung ~ zusammengefaßt. Seitdem hat der Begriff ~ die obige Bedeutung; was als ~ gilt, ist demnach historisch durchaus variabel. Protonen und Neutronen verloren deshalb ihren Status als ~, im engeren Sinne, als sie sich wiederum aus kleineren Teilchen, den Quarks, zusammmengesetzt herausstellten (deshalb wird der Begriff heute uneinheitlich verwendet, da häufig auch die »ehemaligen« ~ immer noch als solche bezeichnet werden).
Nach gegenwärtigem Wissensstand, dem »Standardmodell der ~physik«, gibt es 36 ~ (der Nachweis zweier weiterer ist im Gange). Davon werden lediglich drei Teilchensorten benötigt, um die Atome zusammenzusetzen (nämlich Elektronen als Atomhülle, sowie Up- und Downquarks, welche die Atomkernbestandteile Proton und Neutron bilden). Aus ihnen besteht die gesamte Materie des Universums, da sie die einzigen Teilchen sind, welche sich zu komplexen, aber stabilen Mehrteilchengebilden wie Atomen (was durch Kernfusion in den »Schmelzöfen« der Sterne geschah und geschieht) und erst recht Molekülen verbinden lassen. Alle weiteren Teilchen treffen hauptsächlich in Form der kosmischen Strahlung mit hoher Geschwindigkeit auf die Erde. In dieser lassen sich neben den ~ eine große Menge ~kompositionen nachweisen (sog. »Hadronen«; davon gibt es über 100, einige davon ebenfalls »ehemalige« ~, welche aber, mit Ausnahme der Nukleonen, eine durchschnittliche Lebensdauer von maximal einigen Nanosekunden haben). All diese Teilchen unterscheiden sich in ihren Eigenschaften wie z.B. Masse, Ladung und Eigenrotation (=Drehimpuls bzw. »Spin«), sowie ihrem sonstigen Wechselwirkungsverhalten gegenüber anderen Teilchen. Alle Wechselwirkungsprozesse unterliegen einer Reihe von Erhaltungssätzen, unter denen sich auch die bekannten Erhaltungssätze von Energie, Impuls und Ladung befinden.
Eine Sonderrolle unter den ~ kommt den 12 »Eichbosonen« zu, zu welchen auch das Photon zählt. Sie spielen eine Vermittlerrolle zwischen allen anderen Teilchen, d.h. sie ermöglichen deren gegenseitige Wechselwirkung. Jede der vier bekannten Grundkräfte (Gravitation, elektromagnetische, starke und schwache Wechselwirkung) besitzt ein oder mehrere Vermittlerteilchen. Das Photon ist beispielsweise das Vermittlerteilchen für die elektromagnetische Wechselwirkung (=elektromagnetische Kraft).
Die restlichen 24 ~ heißen »Fermionen«; zu ihnen gehören alle Atombestandteile. Der Aufbau der Fermionengruppe folgt einer symmetrischen und abgeschlossenen Struktur, so daß sich die 24 Teilchen nach verschiedenen Kriterien ordnen lassen: nach der Art ihrer Wechselwirkung (12 »Quarks« und 12 »Leptonen«), paarweise in Teilchenpartner exakt gleicher Masse, aber entgegengesetzter Ladung (12 »Teilchen« und 12 »Antiteilchen«; letztere sind, ungeachtet ihrer unglücklich gewählten Bezeichnung, genauso materielle Teilchen wie die 12 »Teilchen«) oder in 3 unterschiedlich schwere, aber gleich strukturierte Familien zu je 8 Teilchen (»Elektron-«, »Myon-« und »Tauonfamilie«).
Die Erkenntnis, daß die gesamte Materie ausschließlich aus kleinsten, nicht weiter zerlegbaren ~ zusammengesetzt ist, geht auf Leukipp und seinen Schüler Demokrit zurück. Aus diesem Grund ist die Erforschungsgeschichte der Atome bis zur Entdeckung von deren Substruktur identisch mit der Erforschungsgeschichte der ~ (Atom). Diese Geschichte ist vor allem eine Geschichte der gesellschaftlichen Behinderung der grundlegend orientierenden (und religionszersetzenden) Erkenntnis des Atomismus. Gesellschaftliche Kräfte, welche der atomistischen Erkenntnis nicht feindlich gesinnt waren, existierten nur in der Antike in Gestalt der Kaufleute der ionischen Stadtstaaten und später im gegen den Feudalismus aufstrebenden Bürgertum. Deshalb wurde der mit der antiken Wissenschaft untergegangene Atomismus erst von den französischen Frühaufklärern über das nur in zwei Exemplaren seines Werkes überlieferten Werk des Lukrez wieder aufgegriffen und konnte später im Zuge der Fortschritte der Chemie auf eine über die Antike hinausgehende empirische Basis gestellt werden. Dies geschah, indem (ausgehend von Dalton's Gesetz der multiplen Proportionen) gezeigt werden konnte, daß die chemischen Elemente aus kleinsten, untereinander gleichen Bestandteilen zusammengesetzt sein müssen, welche mit den Atomen Demokrits identifiziert und darum als solche bezeichnet wurden. Bereits 1815 rüttelte jedoch William Prout erstmals am Status der Atome als ~, welche laut seiner Hypothese alle aus unterschiedlich vielen Wasserstoffatomen zusammengesetzt seien (abgeleitet aus der Beobachtung, daß die meisten Atomgewichte ein Vielfaches des Gewichtes des Wasserstoffatoms sind). Gleichzeitig mit den um 1900 möglich gewordenen Belegen der Existenz der Atome erhärteten sich durch die Entdeckung der Radioaktivität (1896) und des Elektrons (1897) allerdings auch die Hinweise auf eine innere Struktur der bis dato als »unteilbar« geltenden Atome. Insbesondere die 1903 von Rutherford und Soddy gezeigte radioaktive Umwandlung der Elemente, d.h. der Zerfall von bestimmten Atomsorten in leichtere Atome und deren Bestandteile, bewies die Teilbarkeit der Atome. In den Jahrzehnten darauf bildeten deshalb die subatomaren Teilchen, nämlich das Elektron mit dem schon länger bekannten Photon und dem 1917 entdeckten Atomkernbestandteil Proton, die kurze Liste der kleinsten, unteilbaren Teilchen, welche den Namen ~ erhielten. 1932 vervollständigte die Entdeckung des Neutrons die Bestandteile des Atomkerns. Im selben Jahr läutete die Entdeckung des Positrons eine riesige Zahl von Entdeckungen von Teilchen außerhalb des Atoms ein, die sich bis zum gegenwärtigen »~zoo« ausweiten und in dessen Folge auch einige subatomare Teilchen ihren Status als ~ an sub-subatomare Teilchen abgeben sollten, so z.B. die Protonen und Neutronen an die sie aufbauenden Quarks. Zu erwähnen ist außerdem das 1930 zur Aufrechterhaltung der Energie- und Impulserhaltungssätze postulierte und 1955 durch seine Entdeckung die Gültigkeit der Erhaltungssätze auf subatomarer Ebene eindrucksvoll bestätigende Neutrino.
Auch heute kann die Frage, welche Teilchen unteilbar sind, keineswegs als abgeschlossen gelten, insbesondere deshalb, weil etliche der heutigen ~ nach einer bestimmten durchschnittlichen Lebensdauer in andere zerfallen. Da diese Umwandlungsmöglichkeit der gegenwärtigen ~ völlig analog der Radioaktivität der Atome ist, stellen sie sich in der Zukunft möglicherweise ebenfalls als zusammengesetzt heraus. Es wird allerdings auch in Erwägung gezogen, daß einige der ~ in Wahrheit nur unterschiedliche Schwingungszustände derselben Teilchen sind (Myon und Tauon könnten hochenergetisch schwingende Elektronen sein; eine völlig analoge Situation bezüglich der Atome, nämlich verschiedene Schwingungszustände des Atomkerns, stellt der Gamma»zerfall« dar). Eine konsequente, durch mehrere Phänomene aus Quantenmechanik und Relativitätstheorie nahegelegte Weiterführung dieses Gedankens ist die Vermutung, daß die ~ allesamt nur Schwingungen unterschiedlicher Form und Energie ein und derselben Substanz sind (sog. »Resonanzen«). Was die ~ jedenfalls mit Sicherheit nicht sind, sind punktförmige Teilchen, da sie ohne Ausdehnung keine inneren Schwingungen ausführen könnten. Genau an dieser Stelle setzen die modernen Nachfolger der Atomgegner ihren Hebel an, welche in Gestalt der Quantentheologie zwar nicht mehr offen die Existenz der Atome leugnen, die ~ – aus historischen Gründen vor allem das Elektron – jedoch unter der dogmatischen Voraussetzung ihrer Punktförmigkeit ad absurdum führen, um sie zu rein mathematisch-abstrakten Objekten degradieren, was einer Leugnung von deren Existenz gleichkommt.
Dessenungeachtet lassen sich die ~ beobachten. Lange Zeit blieben radioaktive Elemente und die 1912 entdeckten kosmischen Strahlen die einzigen Quellen zum Studium der ~. Heute werden sie in großen Teilchenbeschleunigern als Bruchstücke hochenergetischer Kollisionen zusammengesetzter Teilchen erzeugt. Sie können zwar im Moment noch nicht direkt sichtbar gemacht werden – mit Ausnahme der im Atom gebundenen Elektronen mittels »Raster-Tunnel-Mikroskopie« –, dafür allerdings seit vielen Jahrzehnten ihre Bahnen. Dies geschieht mit geladenen Teilchen seit den 1960er Jahren u.a. in (mittlerweile von moderneren Teilchendetektoren verdrängten) Blasenkammern, nach einem ähnlichen Prinzip wie der Entstehung des Kondensstreifens eines Flugzeugs.
Quelle: Segrè, Die großen Physiker (München, Zürich 1998)
Die gekrümmten Bahnen, welche durch elektrische und magnetische Felder zustande kommen, ermöglichen eine Identifikation der Teilchen, da das Verhältnis von Ladung und Masse, bei bekannten Feldstärken, aus der Krümmung der Bahnen berechnen lassen.