Naturgesetz: formelhafte, möglichst präzise Beschreibung einer unter standardisierten Umständen unausweichlich eintretenden Folge der Eigenschaften der Materie. –
Die Ermittlung der ~e ist die Aufgabe der »exakten Naturwissenschaften«, d.h. der in der Atomphysik verschmelzenden Wissenschaften Physik und Chemie. Beide zeichnen sich dadurch aus, daß sie möglichst wenig komplexe Objekte zum Gegenstand haben bzw. diese in immer weniger komplexe zu zerlegen suchen (resp. ihren Aufbau aus weniger komplexen zu ermitteln suchen). Da von einem extremen Komplexitätsgrad an, wie er bei Lebewesen vorliegt, die Umstände, unter denen die vorhersagbaren Folgen der Eigenschaften der Materie eintreten, nicht mehr sinnvoll standardisierbar sind und dementsprechend die statistische Wahrscheinlichkeit anstelle vollständig abgebildeter Zusammenhänge die Hauptbedeutung für die Vorhersage übernimmt, kann die Biologie keine ~e formulieren, wohl aber erklärbare Regelhaftigkeiten. (An der Schnittstelle von Biologie und Chemie, d.h. auf der ausschließlich makromolekularen Ebene, sind allerdings auch echte ~e formulierbar, z.B. das Mendel´sche Gesetz.)
Den Feinden der Aufklärung (oder ganz allgemein der menschlichen Selbstbestimmung, des Humanismus) ist die Erkenntnis der ~e verhaßt; der hl. Augustinus leugnet sie z.B. mit der immanent richtigen Begründung, daß ihre Gültigkeit die Existenz von Wundern ausschlösse. Die gleiche Denkfigur nimmt viele Jahrhunderte später in analoger Absicht K. Popper wieder auf, indem er die ~e mit unterschwelliger Abwertung »All-Sätze« nennt (d.h. suggeriert, es handle sich unausweichlich um bloß empirisch-quasistatistische Aussagen statt um Ergebnisse des Verständnisses von Zusammenhängen), welche jederzeit durch eine von ihm postulierte Ausnahme davon »falsifiziert« werden könnten, wobei diese Ausnahme nicht etwa bloß sprachlich, sondern unterschwellig real konstruiert ist und dadurch exakt mit dem Wunder der Religionen zusammenfällt.