Positivismus: Denkverbot auf Kausalität und/oder Historizität
Name und Sache stammen von dem frz. Philosophen Auguste Comte; die Bezeichnung soll etwa »Nur was gegeben ist, berücksichtigen!« bedeuten (und damit einen Wissenschaftlichkeitsanspruch stellen). Während der ~ bei seinem Gründer noch nicht in voller Schärfe ausgeprägt ist, z.B. mit seinem »Dreistadiengesetz« noch eine Anlehnung an Hegel verrät u.v.a., gewinnt er bei seinen Nachfolgern (Durkheim und den »Soziologen«) ziemlich rasch durch die Gleichsetzung des »Gegebenen« (= Positiven, von lat. ponere »setzen/stellen/legen«) mit dem Gegenwärtigen, somit dem Ausschluß des Vergangenen und damit der Frage der Entstehung, einen gedanklich immer einengenderen und allmählich irrationalen Charakter, der dann von seinen Anhängern in einer Art Vorwärtsverteidigung als hyperwissenschaftlich oder »einzig wissenschaftlich« deklariert wird. – Da das Denkverbot auf Historizität, Genese und schließlich Kausalität die Erforschung insbesondere ideologisch brisanter Phänomene erschwert bis verhindert – etwa der Artentstehung, der Besitzverteilung oder der Religion, um nur wenige zu nennen –, sind gesellschaftlich mit Macht versehene Kräfte seit seinem Aufkommen an der Förderung des ~ interessiert, wenn möglich, sogar an seiner Gleichsetzung mit dem wissenschaftlichen Denken. Der ~ kann dadurch vorübergehend gesellschaftlich eine ähnliche Stellung erhalten wie Jahrhunderte zuvor die Religion. Tatsächlich wurde der ~ in zwei brasilianischen Bundesstaaten – in seiner pathetischeren, älteren Form – vorübergehend einmal zur »Staatsreligion« erklärt, aber der ideologische Einfluß seiner späteren und abgeleiteten, aktuellen Formen – vor allem auf die Sozialwissenschaften und die sog. Philosophie – ist ungleich bedeutsamer.