Kristall: der (von gr. = Eis, urspr. die Bezeichnung für Bergkristall, der farblosen durchsichtigen, an gefrorenes Wasser erinnernden Varietät von Quarz): Körper, dessen Bausteine (Ionen, Moleküle oder Atome) in einer dreidimensional periodischen Struktur angeordnet sind.
Das Gegenteil ist die ungeordnete Anhäufung der Bausteine eines Körpers. Beispiel hierfür sind die Gläser. Beide Arten von Festkörpern (Kristalle und Gläser) entstehen, wenn die thermische Bewegung der Teilchen (die in Form von ungerichteter Bewegung gespeicherte Wärme) in Dampf, Lösungen oder Schmelze ein Minimum unterschreitet, so daß die Eigenbewegung der Teilchen geringer wird als deren gegenseitige Anziehung. Die dreidimensional periodische Struktur ist hierbei energetisch stets günstiger als die ungeordnete Anhäufung. Trotzdem kommt es zur Bildung von Gläsern unter der Voraussetzung, daß die Teilchen in Dampf, Flüssigkeit oder Schmelze nicht ausreichend Zeit zur Verfügung haben, sich regelmäßig anzuordnen.
Die Energie der regelmäßigen Anordnung wird in Form von sogenannter Kristallisationswärme an die Umgebung abgegeben. Um den Vorgang der Kristallbildung umzukehren, muß eine der Kristallisationswärme entsprechende Wärmemenge dem Kristall wieder zugegeben werden. Aus der regelmäßigen Anordnung der Bausteine eines Kristalls resultieren dessen richtungsabhängige physikalischen und chemischen Eigenschaften. Diese Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften heißt Anisotropie im Gegensatz zur Isotropie eines Glases. Ein bekanntes Beispiel für Anisotropie ist die Spaltbarkeit von Holz. Wer den Umstand nicht liebt, wird das Holz längs und nicht quer spalten. Die Spaltbarkeit eines Kristalls und alle anderen Eigenschaften sind genauso richtungsabhängig. Man kann sich dies veranschaulichen, durchwandert man gedanklich einen Kristall in unterschiedlichen Richtungen. Ein Kochsalzkristall besteht aus Na-und Cl-Ionen: Stellt man sich ein würfelförmiges Gitter vor, liegen die Chlorionen auf den Ecken und die Natriumionen in den Würfelmittelpunkten und bilden somit für sich gleichfalls ein würfelförmiges Gitter (mit Chlorionen in den Würfelmitten). Die Abfolge der Ionen und vor allem die zwischen den Ionen wirkenden Kräfte, denen man auf dieser »Wanderung« begegnet, sind von der eingeschlagenen Richtung abhängig. Die Abfolge der Ionen denen man auf der Diagonalen begegnet ist eine andere als die Abfolge auf den Kanten, aber in beiden (und sämtlichen anderen) Richtungen ist die Abfolge periodisch, somit die Ursache für die Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften eines Kristalls.
Ein bekanntes Beispiel ist die optische Anisotropie des Calcit. Betrachtet man einen Gegenstand durch einen Calcit, so wird der Gegenstand für den Betrachter in zwei Bilder aufgespalten, die durch Drehen des Kristalls gegeneinander rotieren. Diese Eigenschaft heißt Doppelbrechung. Würde man den Calcit zu einer Kugel schleifen (um Verzerrungen durch die Ecken und Kanten zu vermeiden) und diese vor dem Gegenstand drehen, so ließe sich eine Richtung finden, in der die zwei Bilder des Gegenstandes zu einem Bild zusammenfallen – der Kristall verhält sich in dieser Richtung optisch wie ein Glas. Somit ist das gesamte optische Verhalten des Calcits richtungsabhängig (=anisotrop). Eine Glaskugel kann man während der Beobachtung um ihren Mittelpunkt drehen wie man möchte, der Gegenstand sieht für den Betrachter stets gleich aus, das vom Gegenstand kommende Licht wird an der Grenzfläche zwischen Glas und Luft immer einfach gebrochen.
Auffälligste Erscheinung der Anisotropie ist die Ausbildung von ebenen, glatten Kristallflächen. (Würde ein Kristall isotrop wachsen, also jede Richtung gleich schnell, müßte sich eine Kugel bilden). Die Kristallflächen sind die Folge der unterschiedlich schnellern Anlagerung seiner Bausteine in der Struktur. Wird ein würfelförmiger Salzkristall in eine übersättigte Lösung von Chlor- und Jodionen gelegt, so wachsen die Würfelflächen und nicht die Kanten und Ecken durch Anlagerung der Ionen weiter.
Die Kristallflächen einer Kristallart sind stets gleich zueinander angeordnet. Für gleiche Flächen einer Kristallart bilden die Flächennormalen (gedachte Geraden senkrecht zu einer Fläche des Kristalls) den gleichen Winkel miteinander, unabhängig davon wie groß diese Flächen ausgebildet sind (Gesetz der Winkelkonstanz, entdeckt von Nikolaus Steno 1669). Deshalb werden Kristalle über diese Flächennormalen bzw. die daraus folgende Symmetrie beschrieben. Jeder Kristall kann aufgrund seiner Symmetrie einer von 32 sog. Kristallklassen zugeordnet werden, die sich aus allen denkbaren Kombinationen von kristallographischen Symmetrieelementen ableiten lassen. An solchen Symmetrieelementen können an Kristallen vorkommen: 2,3,4,6-zählige Drehachsen, Spiegelebenen, Inversionszentren (Spiegelung an einem zentral im Kristall gelegenen Punkt) und Drehinversionsachsen (eine Drehung und eine Punktspiegelung werden in einem durchgeführt). Analog zu den Kristallklassen, die die makroskopische Erscheinung der Kristalle beschreiben, beschreiben die sogenannten Raumgruppen die Symmetrie einer Kristallstruktur. Grundlage der Struktursymmetrien ist die Lage der Bausteine. Vereinfachend wird eine unendliche Ausdehnung der Struktur angenommen, dadurch kommen zu den bisher genannten Symmetrieelementen noch weitere hinzu, die eine Drehung oder eine Spiegelung mit einer Verschiebung um einen festen Betrag verknüpfen. Man spricht dann von Schraubenachsen oder Gleitspiegelebenen (bei Ornamenten häufig zu beobachten). Sämtliche möglichen Kombinationen ergeben die 230 Raumgruppen, in die alle Kristallstrukturen eingeordnet werden können.
Die Beschreibung und Erforschung der ~e, die Wissenschaft von den ~en also, ist heißt Kristallographie.
Literaturhinweis: Kleber, Will: Einführung in die Kristallographie, Verlag Technik GmbH Berlin