Kunst: (von »können«): Die Herstellung von Objekten, die vorbedachte subjektive Wirkungen hervorrufen oder hervorrufen sollen. – Im weiteren Sinne bedeutet das Wort jede anspruchsvolle gelernte Tätigkeit und fällt dann in seiner Anwendung mit dem lateinischen Wort ars zusammen.
Handelt es sich bei den bezeichneten Objekten, den ~werken, um Klangfolgen, so heißt die damit befaßte ~ Musik; sind es sprachliche Materialien, Literatur (oder, zur Unterscheidung von sonstigem Schrifttum, dessen Hersteller andere Ziele als die der ~ verfolgen, »Schöne Literatur«); sind es stoffliche Materialien, Bildende ~.
Objekte, die ausschließlich zur Erzielung subjektiver (»ästhetischer«) Wirkungen hergestellt wurden, hat es in der Geschichte der Menschheit schon immer oder wenigstens sehr früh gegeben; schon Neandertaler scheinen Steine bemalt zu haben, offenbar, weil sie sich davon eine spontane subjektive Wirkung auf deren Betrachter versprachen und keineswegs, um eine Information unabhängig von der subjektiven Wirkung deren Mediums zu codieren oder um die Brauchbarkeit der bemalten Materialien anderweitig zu steigern. Aber diese Absicht wurde nicht als solche reflektiert; dies geschah in eindeutiger Weise erst in späteren Hochkulturen, vor allem der klassischen Antike, dem frühmittelalterlichen China und dem westlichen Europa der »Renaissance« und ihrer Vorläufer sowie unter deren Einfluß zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei deren Nachbarn. Deshalb existierte vor und direkt neben diesen Hochkulturen auch nicht der hier gegebene ~begriff; es sind Betrachter aus den besagten Hochkulturen, welche Objekte dieser sonstigen Kulturen, die zur Auslösung beabsichtigter subjektiver Wirkungen produziert wurden, als deren ~ bzw. ~werke bezeichnen. So sehr deren unmittelbare Hersteller hohes Ansehen genießen konnten, verdankten sie dieses doch nicht ausschließlich der Würdigung ihrer technischen und konzeptuellen Begabung, wie dies nach Aufkommen des ~begriffs für den anerkannten Künstler die Regel war, sondern entweder nur der Würdigung ihrer technischen Fähigkeit (»~fertigkeit«) wie jeder andere Techniker, Arzt, Handwerker usw. auch oder aber einer Fetischisierung ihrer konzeptuellen Begabung (als »göttlicher Eingebung«, »Besessenheit von den Musen«, »Besitz von Mana« usw.). Insofern besitzt der ~begriff der klassischen Antike, des tangzeitlichen und späteren China sowie der Renaissance einen entfetischisierenden, also tendenziell aufklärenden Charakter. Selbst eine noch so weit getriebene Verehrung, sogar Mystifizierung des künstlerischen »Genies« kann diesen vergleichsweise aufklärenden Charakter nicht aufheben; sie ist auch leicht als verkappte bis ziemlich offene, stellvertretende Selbstbehauptung des Individuums gegen die Zumutungen der Religion bzw. Ideologie überhaupt zu erkennen, mit welcher sie rivalisiert.
Andererseits sind Ideologien, besonders die ohne Mythologie kaum lebensfähige Religion nachhaltig auf suggestive Effekte und daher subjektive Wirkungen angewiesen; ihre Träger und Organisatoren sorgen daher am frühesten und reichhaltigsten für die Produktion von ~werken bzw. Gegenständen, welche später als solche angesehen werden. (Wegen der ungewöhnlichen Schwierigkeit von deren Herstellung sowie der spontan fast unmöglichen Erklärung ihrer Wirkungsweise werden die damit beschäftigten Spezialisten, seien sie Handwerker, Dichter oder Musiker, auch als erste bzw. rückwirkend als Künstler betrachtet.). Sobald die ~ als bewußte gesellschaftliche Kategorie auftritt, gerät sie jedoch sofort und unaufhebbar in ein Spannungsverhältnis zu ihren Auftraggebern, denen es primär um die Vermittlung bzw. Stärkung ihrer religiösen oder direkt herrschaftsstabilisierenden Ideologie geht; das geht so weit, daß entsprechenden Objekten, deren ideologischer Zweck besonders leicht erkennbar ist, oft der ~charakter abgesprochen wird. Allerdings erreichen sie in diesem Falle, gewöhnlich durch subjektive Veränderungen, die vor allem durch historisch bedingte Furchtzusammenbrüche (der Furcht vor Herrschern, Göttern und Ideologemen) im Normalbetrachter eingetreten sind, ihre angestrebte subjektive Wirkung auch tatsächlich nicht mehr, was freilich nicht an ihren eigenen Eigenschaften, sondern veränderten äußeren Bedingungen liegt. Umgekehrt wird ihnen dieser Charakter auch wieder zugesprochen, wenn die Kenntnis oder wenigstens die dressurbedingte Wirkung der vom Objekt zu vermittelnden Ideologie (und damit natürlich auch jede spezifische Distanzierungsabsicht von ihr) verlorengegangen ist, das Ziel der Herstellerabsicht, eine vorbedachte subjektive Wirkung durch das Objekt zu erzeugen, jedoch erkennbar geblieben ist (meistens durch dessen Komplexität oder Elaboriertheit, wenn dies durch keinen praktischen oder ausschließlich semantischen Zweck erklärbar scheint).
Da die Erzeugerabsicht einen Gegenstand zum ~werk macht und nicht dessen eigene Eigenschaften, läßt sich dessen ~charakter auch nicht oder jedenfalls nicht immer aus diesen selbst ableiten. Nun kann der Hersteller dieses Gegenstandes diese seine Absicht nur erfüllen, wenn er die subjektiven Voraussetzungen, insbesondere Erwartungen, seiner Adressaten kennt. Da der Umgang mit diesen Erwartungen (wie z.B. bei einem Witz, dessen Pointe in der überraschenden Pointenverweigerung liegt) auch in unterschiedlichem Grade negativ sein kann, in extremer Weise beim Ready-made, kann ein mit diesen Erwartungen nicht vertrauter Beobachter u.U. den ~charakter eines Objekts nicht erkennen. Ebenso können auch winzige Negativbehandlungen einer voraussetzbaren Erwartung – metrische Abweichungen um nur eine einzige Silbe, Ausbleiben einer Tonika usw. – die größten subjektiven Wirkungen auslösen, insbesondere humoristische, die bei Unkenntnis der jeweiligen Metrik oder Tonalität ausbleiben müssen; wodurch dann auch das elaborierteste (»raffinierteste«) ~werk langweilig und dadurch »~los« wirken kann.
Je nach der Stärke und Dauerhaftigkeit des subjektiven Effekts werden dem ~werk höhere oder mindere Qualitäten zugeschrieben. Da diese Effekte aber von Umständen abhängen, die nach Fertigstellung des ~werks wechseln und von ihm unbeeinflußbar sind, kann diese Wertung nicht objektiv sein. Bestenfalls der Komplexitätsgrad und die (»handwerkliche«) Elaboriertheit eines ~werks lassen sich objektivieren.